RESÜMEE DEUTSCH

 

EINLEITUNG

Das bilanzierende Mitteilungsblatt des Klubs „Für Alt-Prag“ (unabhängige Bürgervereinigung, gegr. 1900) fasst die Erfahrungen mit dem Schutz Prager Baudenkmäler in den vergangenen fünfzehn Jah- ren zusammen, d. h. seit Umsturz des politischen Systems in der Tschechoslowakei im Jahr 1989. Es konzentriert sich auf eine Reflexion der dringlichsten Probleme beim Denkmalschutz in Prag und zeigt negative Erscheinungen auf, die man nicht mehr als Zufallsfehler oder gelegentliches Versagen bezeichnen kann, sondern als einen gefährlichen Trend ansprechen muss. Der Klub wendet sich an die Freunde und Bewunderer des alten Prag in der Tschechischen Republik und in aller Welt mit dem Aufruf:

„Der historische Stadtkern Prags als urbanistischer Gesamtkomplex von außerordentlichen Qualitäten, der als eins der höchsten Kulturgüter der zivilisierten Welt gelten kann, darf nicht zum Spielzeug in den Händen von Kommunalpolitikern, zum Konsumobjekt der unersättlichen Tourismus-Industrie und Baulöwen, aber auch nicht zur Versuchsplantage experimentierlustiger Architekten oder Verkehrsplaner werden. Helft uns, Prag zu schützen!“

 


DAS SYSTEM DER STAATLICHEN DENKMALPFLEGE UND SEINE PROBLEME IN PRAG

(Artikel hier, Verfasser Richard Biegel)

Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts waren für die Denkmalpflege eine Epoche der Euphorie voller Hoffnung, dass sie in einem demokratischen System von politischen Übergriffen verschont, die Fehler anderer europäischer Städte vermeiden wird. Leider ist es im Lauf von fünfzehn Jahren nicht gelungen, das System der Denkmalpflege umzugestalten, ein neues Denkmalgesetz zu schaffen und den sich aus dem Filz zwischen Großinvestoren und politischer Repräsentation der Stadt erwachsenden Einflüssen zu wehren. Gleichzeitig wurde nicht einmal ein Komplex verbindlicher Richtlinien zur Regulierung von Größe und Charakter bei Neubauten oder der Rasanz von Umbauten erarbeitet und angenommen, so dass die Genehmigung von Bauvorhaben in der Regel nur vom souveränen Gebaren des Investors und seinem Durchsetzungsvermögen abhängt.

Der neuralgischste Moment im ganzen Denkmalpflegesystem ist die sog. Zweigleisig- keit der Genehmigungsverfahren, in der das Nationalinstitut für Denkmalpflege, eine unter der Leitung des Kulturministeriums stehende staatliche Institution, zwar zu jedem Bauvorhaben seine gutachterliche Stellungnahme abgibt, die exekutive Genehmigungsinstanz, nämlich das Referat für Kultur, Denkmalpflege und Fremdenverkehr beim Magistrat der Hauptstadt Prag, aber bei ihren verbindlichen Entscheidungen diese nicht berücksichtigen muss.

Einen weiteren Schwachpunkt im Prager System brachte die Umgliederung der Abteilung des Stadtarchitekten mit sich, einer Institution, deren Aufgabe nicht nur in der Erstellung von Gebiets- und Bebauungsplänen bestand, sondern auch in der Aufsicht über die stadtplanerische und konzeptionelle Eignung großer urbanistischer Eingriffe. Dieses Amt wurde zunächst unter der Umfirmierung Abteilung für Stadtentwicklung in die Struktur des Prager Magistrats eingeordnet und neuerlich zu einer formal zwar selbständigen, jedoch dem Magistrat unterstellten Organisation gemacht.

Das unübersichtliche Zweispur-System der Denkmalpflege führt häufig zu Frontstellungen, in denen sich die Magistratsabteilung als ausführendes Organ über die Ansichten des Denkmalpflegeinstituts als fachlich kompetenter Instanz hinwegsetzt und sich bei ihren Ent- scheidungen auf anders lautende Gutachten sog. unabhängiger Experten stützt, die nicht selten direkt vom Investor des jeweiligen Bauvorhabens angeheuert wurden. In dieser Atmosphäre tritt der Klub für Alt-Prag sehr häufig auf dem Weg schriftlicher Eingaben oder auch durch Öffentlichkeitsarbeit, gestützt auf die Massenmedien als Verfechter der vom Denkmalpflegeinstitut vertretenen Ansichten auf.

Zur Lösung der gegenwärtigen Problemlage ist es unerlässlich, so bald wie möglich folgende Änderungen im System herbeizuführen:

1. Die Studie zur Regulierung der Prager Denkmalreservation genehmigen, in der klare Regeln für Neu- und Umbauten festgelegt werden (das Material wurde bereits ausgearbeitet, letztmalig im Jahr 2000 aktualisiert, hat aber bisher noch keine verbindliche Form erhalten).

2. Die Folgen der bisherigen Zweispurigkeit in den Genehmigungsverfahren beheben (z.B. durch die Pflicht, bei Entscheidungen die Ansichten des fachkundigen Organs zu berücksichtigen).

3. Die Abteilung für Stadtentwicklung bestärken und zu einer unabhängigen Organisation aufzuwerten, die in der Lage ist, eine durchdachte urbanistische und architektonische Entwicklung der Stadt zu gewährleisten.

Alle drei Punkte lassen sich zu einem Satz zusammenfassen: Es ist dringend erforderlich, solche Regeln zu schaffen, dass die Denkmal- pflege und städtebauliche Entwicklung von Prag aus langfristigen fundierten Erwägungen resultieren und nicht aus momentanem finanziellen, politi- schen und anderweitigen Druck. Alle rasanten und grobschlächtigen Eingriffe sind nämlich unwiderruflich und beschädigen das Bild der Stadt ein für allemal. Der Denkmalschutz in Prag darf sich nicht auf eine touristisch dankbare Fassadenrenovierung beschränken, sondern muss die reale physische Substanz der einzelnen historischen Bauwerke schützen.

 

Fotografien:

1. Die Bautätigkeit im historischen Stadtkern muss strengsten Regulativen unterworfen werfen. Panorama von Kleinseite und Hradschin. Foto J. Støeda, März 2003

2. Denkmalschutz darf nicht sich auf die Instandhaltung von Fassaden beschränken, sondern muss die physische Bausubstanz schützen. Blick auf Haus Nr. 514 auf der Kampa-Insel in unmittelbarer Nähe der Karlsbrücke, dem unlängst ein Kniestock-Einbau drohte. Foto Micka, 2002

3. Die Prager Dachlandschaft ist eine der Prioritäten der hiesigen Denkmalpflege. Blick vom Turm des St. Niklasdoms. Foto K. Beèková, 2004

4. Die Unmenge von Aussichtspunkten in Prag hat nicht nur ungewöhnliche Szenerien zu bieten, sondern erlaubt auch eine lückenlose Kontrolle über die Tauglichkeit der baulichen Eingriffe. Blick von St. Niklasdom zur Prager Burg. Foto K. Beèková, 2004

 


DER MAGISTRAT IST KEIN GUTER ANWALT DER STAATLICHEN DENKMALPFLEGE

(Artikel hier, Verfasserin Kateøina Beèková)

Der Artikel beschreibt die unerquickliche Situation der Prager Denkmalpflege, in der Fachgutachten des vom Kulturministeriums der ÈR getragenen Denkmalinstituts vom Exekutivorgan für Denkmalpflege, also von der zuständigen Abteilung beim Magistrat der Hauptstadt Prag häufig ignoriert werden und nicht selten Entscheidungen fallen, die den fachlichen Ansichten völlig zuwider laufen. Im derzeit gültigen Denkmalpflege-Gesetz (Nr. 20/1987 Sammlung) wird dem ausführenden Organ zwar nicht ausdrücklich die Pflicht auferlegt, sich nach den Ansichten des Fachorgans zu richten, doch artikuliert das Gesetz gleichzeitig die Voraussetzung, dass verbindliche Entscheidungen im Interesse der staatlichen Denkmalpflege getroffen werden, deren unbestrittener Garant gerade das Fachinstitut für Denkmalpflege ist. Die Ursache der hier beschriebenen Problemsituation beruht im naturgegebenen Interessenkonflikt, der sich aus dem Interesse der staatlichen Denkmalpflege und dem Interesse der pragmatisch denkenden Kommunalpolitiker und Magistratbeamten ergibt, die deren Weisungen willfährig nachkommen. Sofern die Stadt ein offenkundiges wirtschaftliches Interesse an der Umsetzung eines Bauvorhabens eines einflussreichen ausländischen Investors oder einer multinationalen Korporation hat bzw. selbst als Mitinvestor auftritt, kann man nicht annehmen, dass ihre eigene Verwaltungsabteilung nennenswerten Widerstand leistet, nicht einmal dann, wenn diese sich der Veruntreuung ihrer eigentlichen Aufgabe bewusst wäre, die Interessen der staatlichen Denkmalpflege zu vertreten.

Der schädliche Trend bei der Umsetzung von Magistratsentscheiden im Bereich der Denkmalpflege wird von der irrigen Annahme bestärkt, dass bauliche Eingriffe, die der Fußgänger von der Straße oder einem Aussichtspunkt nicht sieht, der Stadt nicht schaden können. In diesem Sinne wurden zahllose Kniestock-Einbauten in historische Dachstühle und radikale Umbauten historischer Häuser abgenickt. Hier wird der Gedanke, die authentischen Werte einer historischen Stadt zu bewahren, auf eine rein äußerliche, ästhetische und touristenwirksame Präsentation reduziert.

Der Magistrat hat sich eine These zu eigen gemacht, die häufig von Architekten, Projektanten und Investoren beim Durchpauken der eigenen Vorhaben vorgebracht wird: Man kann die Entwicklung nicht aufhalten und die Stadt konservieren; jede Epoche hat Anrecht darauf, in der Stadt ihre baulichen Spuren zu hinterlassen. Eine wortwörtliche Übernahme dieses Gedankens und seine Umsetzung auf dem unter Denkmalschutz stehenden Gebiet heißt schlicht und einfach, die Stadt nach und nach völlig umzubauen und sämtliche Werte, derentwegen sie jetzt geschützt wird, für alle Zeiten über Bord zu werfen. Anderseits darf man den Mitarbeitern des Denkmalschutz-Instituts nicht einfach die Absicht unterschieben, jegliche Veränderung einschließ- lich der unvermeidlichen Modernisierung der Bauten, ohne die eine Nutzung und Bewohnung auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts eingefroren wäre, verhindern zu wollen oder gar alle Neubauten in den nach früher untergegangenen Häusern zurückgebliebenen Baulücken verbieten zu wollen. Die einzige sinnvolle Lösung im Konflikt der beiden extremen Tendenzen, auf der einen Seite möglichst wenig zu ändern und auf der anderen Seite nassforsch moderne architektonische und technische Elemente zu implementieren, ist die erfolgreiche Suche nach Ausgewogenheit zwischen den unabweisbaren praktischen Anforderungen der modernen Zeit und berechtigten denkmalschützerischen Vorbehalten. Wenn die Präferenzen der Nutzwerte Oberhand gewinnen und Rückzieher der denkmalpflegerischen Grundsätze erzwingen, verflacht die Stadt aus der Sicht ihrer Denkmalswerte, und wenn es umgekehrt ist, kommt es zu einem ebenso unerwünschten Phänomen – zu ihrer Musealisierung. Die Suche nach einer ausgleichenden Lösung ist daher kein fauler Kompromiss, sondern die einzige wirklich vernünftige Lösung in dieser Auseinandersetzung.

 

Fotografien:

1. Die St. Michaeliskirche in der Altstadt. Während das Nationale Institut für Denkmalpflege die Umbauten im Kircheninnern für Zwecke einer Multimedia- Show für degradierend hält, behauptet der Magistrat im Gegenteil, dass diese Umbauten das Objekt beträchtlich aufgewertet hätten. Foto M. Micka, 2002

2. Das Kleinseitner Ufer mit Blick auf den Hradschin. Das Nationalinstitut für Denkmalpflege und der Klub für Alt-Prag sind im Gegensatz zum Magistrat der Überzeugung, dass in dieses weltberühmte Panorama nicht mit einem Neubau eingegriffen werden darf. Der Streit um die Ortswahl für ein neues Wohn- haus am Flussufer wurde vorläufig durch einen Entscheid des Kulturministeriums beigelegt, der diesen Neubau ablehnt. Foto K. Beèková, 2004

3. Dachgauben in unnatürlicher Anzahl, Größe und Form sind die Folgen einer unglaublichen Benevolenz des Magistrats gegenüber dem massenhaften Einbau von Kniestöcken in historische Dachstühle. Foto F. Micka, 2002

4. Manche Dachgeschosseinbauten illustrieren geradezu die irrige Vorstellung, dass an schwer einsehbaren Stellen alles erlaubt ist. Blick vom Außenumgang über dem Schiff von St. Niklas auf der Kleinseite. Foto M. Solaø, 2005

5. Die zu Kommerz- und Restaurantzwecken miss- brauchten Altstadtdächer. Blick vom Rathausturm- Umgang. Foto K. Beèková, 2005

6. Der einzigartige, unter Denkmalschutz stehende Dachstuhl über der Reithalle der Josefskaserne in der Straße Na Porící wurde abgetragen mit der Begründung, dies sein für seine Restaurierung unerlässlich. In Wirklichkeit war er nur hinderlich bei den Bauarbeiten im eigentlichen Gebäude sowie in dessen unmittelbaren Umgebung. Foto Beèková, 2005

 


NEUBAUTEN

(Artikel hier, Verfasser Richard Biegel)

Das Jahr 1989 mit seinem grundlegenden politischen Umschwung wurde auch im Bereich der Architektur als Meilenstein aufgefasst. Die vorigen zwei Jahrzehnte des totalitären Regimes waren von einem tiefen Niedergang des architektonischen Schaffens begleitet. Obwohl sich das vorige Regime mit Denkmalschutzmaßnahmen für historische Stadtkomplexe brüsten konnte, hat es mit großer Rücksichtslosigkeit mit seiner vermeintlich zeitgemäßen Architektur in die historische Bebauung eingegriffen, wozu sich in der Öffentlichkeit immer mehr Misstrauen und Widerwillen breit machte. Einer der wenigen gelungen Eingriffe der neuen Architektur in ein historisches Umfeld ist das ÈKD-Haus Na Mùstku in Prag (Alena Šrámková, Jan Šrámek, 1976-1983).

Fünfzehn Jahre später ist die Situation kaum besser. Die Arroganz der Macht wurde vom Diktat des Geldes abgelöst, Hand in Hand mit einer gewoll- ten Unfähigkeit der Stadtvertreter, Regeln aufzustellen, die allgemein neuzeitliche Baueingriffe im Zentrum in geordneten Bahnen halten könnten. Nach vielen leidenschaftlichen Diskussionen in den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts lag auf der Hand, dass solche Regeln dringend erforderlich sind, aber trotzdem wurde bis heute noch nicht einmal die Urbanistikstudie für die Prager Denkmalreservation angenommen. Die Abteilung des Stadtarchitekten, die als einziger Garant für die städtebauliche Entwicklung in Prag dastand, wurde umgeformt und in ihren Befugnissen beschnitten. Im Jahr 1997 wurde sogar die städtische Verordnung zur Regulierung der Bautätigkeit in der Denkmalreservation aufgehoben.

Auf den Abriss des neobarocken Spaèek-Hauses auf einem wertvollem Baulos in der Peterstadt folgte ein Geschäfts- und Verwaltungsneubau. Gefühllosigkeit für das historische Umfeld, kitschige Fassade und Überdimensionierung sind auch für den Neubau des Myslbek-Centers auf der damals wertvollsten freien Pager Baulücke zwischen den Straßen Na Pøikopì und Ovocný trh kennzeichnend. Die Gestalt des Hotel-Neubaus Four Seasons am Altstädter Ufer wurde erst durch den lebhaften Protest aus Öffentlichkeit und Fachkreisen gegen den ursprünglich geplanten Umfang reduziert und auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt.

Ein weiteres tristes Beispiel für das konzeptionslose Vorgehen beim Umgang mit wertvollen Grundstücken in Stadtzentrum liefert der Platz der Republik. Hier ist 1996 das fade Gebäude der Hypobank aus dem Boden gewachsen, ein weiterer problematischer Schritt ist das Umbauprojekt der Kasernenanlage von der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem mächtigen Anbau auf dem rückwärtigen Grundstückteil.

In den Jahren 2001-2002 ist auf einem Eckgrundstück am Karlsplatz ein Verwaltungsgebäude in die Höhe geschossen, dessen überdimensionierter dutzendhafter architektonischer Ausdruck die bauliche Gesamtkonzeption des Platzes zum Schlechteren verwandelt hat. Als unnötig verspielte Chance kann man auch den ansonsten relativ kultivierten, im Jahr 2000 fertig gestellten Neubau des Longin Business Centers bezeichnen, mit dem die Fläche in engster Nachbarschaft zur romanischen Rotunde des hl. Longinus ausgefüllt und die Möglichkeit vertan wurde, den wertvollen Raum einer der ältesten Besiedlungen auf dem Gelände der Neustadt zu rehabilitieren. Das Thema Hochhäuser wurde dann durch den Bebauungsentwurf auf der freien unteren Ecke des Wenzelsplatzes angeschnitten, für die der Bau eines Glasturmes geplant wurde. Unter dem Druck der öffentlichen Diskussion wurde dieses Vorhaben überarbeitet und das Resultat ist einer der gelungensten Bauten im postrevolutionären Prag.

Als positive Beispiele für ausgeführte Neubauten gelten das sog. Tanzende Haus von V. Miluniè und F. Gehry (1996 fertig gestellt) sowie der feinfühlige Um- und Anbau des Langhans-Palasts in der Vodièkova-Gasse von Architekt L. Lábus.

In den Jahren 1990-2005 hat Prag einen Bauboom erlebt, aus dem viele ziemlich mediokre Gebäude hervorgegangen sind. Wenn es dabei nicht zu einer ernsthaften Störung seiner Urbanistikstruktur kam, ist dies eher einer glücklichen Improvisation als einer durchdachten Konzeption zu verdanken. Dabei treten die Investoren immer selbstbewusster auf und die politische Unterstützung für Mammutbauten wird immer unverblümter. Im historischen Zentrum sind praktisch schon alle freien Baulücken verplant, weitere Gebäude lassen sich nur noch nach Abriss in der älteren Bebauung umsetzen. Die hier genannten Beispiele haben viele Erfahrungen eingebracht, die verallgemeinert und in geltende Regeln umgemünzt werden können und müssen. Leider liegt von Seiten der Stadt an der Schaffung derartiger Regeln kein Interesse vor.

 

Fotografien:

1. Altstadt. Das ÈKD-Haus am Mùstek aus den Jah- ren 1976–1983 ist einer der wenigen gelungenen Neubauten im historischen Umfeld, die unter dem vorigen Regime entstanden sind. Foto J. Beèka, 2005

2. Neustadt. Hauptfront des neobarocken Špaèek- Hauses Nr. 1216, in der Klimentská ulice, 1993 demoliert. Foto 1993

3. Neustadt. Seitenfront des neobarocken Špaèek- Hauses Nr. 1216 zur Lodecká ulice, 1993 demoliert. Foto um 19xx

4. Neustadt. Hauptfront des Neubaus anstelle des Špaèek-Hauses zur Klimentská ulice. Die kitschige Architektur sucht ihren überdimensionierten Umfang durch ein mächtiges Sims und „malerische“ Ecktürmchen zu kaschieren. Foto K. Beèková, 2006- 01-27

5. Neustadt. Front des Neubaus an der Stelle des Špaèek-Hauses zur Petersgasse bei Glockenturm und St. Peterskirche. Foto M. Micka, 2005

6. Altstadt. Historische Aufnahme der Obstmarkt- Südzeile, deren altertümliche Häuser durch die gesamte Blocktiefe bis zum Boulevard Na Pøíkopì 1929 abgerissen wurden. Diese wertvollste Prager Baulücke stand anschließend 65 Jahre lang leer.

7. Altstadt. Der Obstmarkt mit dem Neubau des Myslbek-Palasts von Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Foto M. Micka, 2002

8. Altstadt. Die Draufsicht auf Obstmarkt und Myslbek- Palast zeigt anschaulich den unangemessenen Größenwahn des Gebäudes gegenüber seinem Umfeld. Foto J. Støeda, 2003

9. Altstadt. Fassade des Myslbek-Baus vom Boulevard Na Pøíkopì. Foto K. Beèková, 2004

10., 11. Neustadt. Das Hotel Four Seasons am Moldaukai hat zu Erzielung der erforderlichen Kapazität auch einige umliegende historische Häuser einbezogen, von denen nur die Originalfassaden zurückgeblieben sind. Foto K. Beèková, 2004

11. Neustadt. Das Haus U Šálkù Nr. 310 auf der Ecke Karlsplatz/Resslgasse. Das in seinem Kern aus der Renaissance stammende Haus wurde 1939 abgerissen. Das Grundstück stand 60 Jahre leer.

12. Neustadt. Der Neubau Charles Square Center von der Resslgasse aus. Im Hintergrund die St. Ignatiuskirche auf dem Karlsplatz. Foto M. Micka, 2002

13. Neustadt. Neubau Charles Square Center auf der Ecke Karlsplatz/Ressl-Gasse. Foto K. Beèková, 2006

14. Neustadt. Der Neubau Charles Square Center mit seinem überdimensionierten Volumen und faden architektonischen Ausdruck hat das Baukonzept des ganzen Karlsplatzes schwer lädiert. Foto J. Støeda, 2003

15. Neustadt. Die St. Longinus-Rotunde in der Gasse Na Rybníèku in der unmittelbaren Nachbarschaft des Neubaus Longin Business Center. Foto M. Micka, 2002

16. Neustadt. Die Gasse Na Rybníèku mit dem Neubau Longin Business Center. Foto K. Beèková, 2006

17. Neustadt. Zu den einfallsreichsten Neubauten aus dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in der Tschechischen Republik gehört das Tanzende Haus auf dem Rašín-Kai. Foto M. Micka, 2002

18. Neustadt. Der Euro-Palast in der unteren Hälfte des Wenzelsplatzes ist einer der wenigen wegen seiner gelungenen Einbindung in die während des 19. und 20. Jahrhunderts gewachsene Volumenkonzeption des Boulevards Anerkennung findenden Neubauten. Foto M. Micka, 2002

19. Neustadt. Der Ausbau des Langhans-Palasts zwischen Vodièka-Gasse und Franziskanergarten wurde zu einer mustergültigen neuzeitigen Lösung, aus der schöpferische Kühnheit und gleichzeitig Feingefühl für das Umfeld sprechen. Foto K. Beèková

 


REKONSRUKTIONEN

(Artikel hier, Verfasser Jan Veselý)

Das Bauwesen in der Tschechischen Republik krankt immer noch am Erbe des vorigen Regimes, an Laxheit und Schlamperei im handwerklichen Bereich und einer an Brutalität grenzenden Rücksichtslosigkeit im Umgang mit den vorhandenen Bauteilen. Es ist immer noch die Regel, dass in Bauwesen und Projektarbeit die Gestalt vieler Konstruktionen von den Lieferanten und dem beschränkten Sortiment typisierter Produkte diktiert wird. Infolge von Typisierung und massiven Werbefeldzügen der Hersteller ist es allgemein üblich geworden, flächendeckend die gesamte bauliche Ausstattung von Objekten auszuwechseln, obgleich nur in kleiner und leicht zu reparierender Teil schadhaft ist. Eine ausschlaggebende Rolle bei der Renovierung dieser Gebäude spielen nicht nur in der Hauptstadt finanzkräftige Investoren, deren Präferenzen Schnelligkeit, Reibungslosigkeit und Niedrigstpreise für Bauarbeiten lauten. Die Kulturwerte des betreffenden Gebäudes stehen für sie meist ganz hinten an.

Aus den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hat die Fertigstellung einiger Bauaktionen bis in die nachrevolutionäre Zeit angedauert (z.B. die Renovierung des Jánský vrsek auf der Kleinseite, die Rekonstruktion der Häuser im Ungelt und der Gebäude des Tschechischen Technikums in der Altstadt). Diese Rekonstruktionen wurden immer mit drastischen Ausschlachtungen eröffnet, bei denen hauptsächlich alle ursprünglichen Türen, Fenster, Fußböden, häufig auch Dachbelag und vielfach auch ein Grossteil des historischen Putzes verschwunden sind. Weitgehend wurden auch die hölzernen Deckenkonstruktionen herausgerissen. Ein beträchtlicher Teil der am Ort belassenen Teile war dann langfristig der Witterung ausgesetzt und ist so vermorscht oder verwittert. Als diese Bauarbeiten dann in der ersten Hälfte der 90er Jahre zum Abschluss kamen, wurden die neuen Bauten ungeachtet der ziemlich negativen Folgen für ihre Denkmalsubtanz auch noch als höchst positives Signal gefeiert. Ein typischer Wesenszug war der Umstand, dass die ursprünglichen Bewohner nie wieder in die reparierten Häuser zurückgekehrt sind. Wurde überhaupt einigen davon ihre Wohn- hausfunktion belassen, handelt es sich um Wohnungen der gehobenen Luxusklasse, die größtenteils nur für dollarschwere Ausländer gedacht waren.

In der frühen postrevolutionären Zeit machte sich das Abgeordnetenhaus der Tschechischen Republik, die damals noch Bestandteil eines gemeinsamen Staates der Tschechen und Slowaken war, an die Rekonstruktion eines ganzen Häuserblocks, der seinen Sitz auf der Kleinseite zwischen der Thomas-, der Landtagsgasse und dem Kleinseitner Ring umgibt. Vor allem beim Umbau der Häuser in der Thomasgasse wurde sehr radikal und rücksichtslos vorgegangen, so dass von deren authentischen Ausstattung nur ein Minimum zurückgeblieben ist. Die Art und Weise, wie mit den günstig erworbenen Denkmalobjekten ungegangen wurde, musste als eine üble Inspiration auf andere Investoren wirken und setzte ein klares Zeichen, dass auf das geltende Denkmalschutzgesetz keine sonderliche Rücksicht genommen werden braucht. Dieses arrogante Vorgehen hat das Parlament in den Jahren 1999-2002 wiederholt, als es das ehemalige Kinksý-Palais in der Nerudagasse zu einer Abgeordneten-Wohnanlage umgebaut hat. Ungeachtet großer Proteste von Seiten der Fachwelt wurden hier Tiefgaragen für 80 (!) PKWs angelegt, der Preis dafür war eine Totalverwüstung des archäologischen Geländes in einer Stärke von 6-9 Metern, in dem sich auch ein erhaltener Abschnitt der ältesten Befestigungen auf der Kleinseite aus dem 13. Jahrhundert befand. Ähnlich rasant wurden auch die oberirdischen Gebäudeteile rekonstruiert. Weitere Palastbauten auf der Kleinseite wurden zum Sitz für den neu konstituierten Senat des ÈR-Parlaments ausersehen. Während im Wallensteinpalast der Fortgang der Adaptationen einer strengen Bewahrung der Denkmalwerte unterworfen war, erfolgte die Expansion des Senats in das Kolowrat- und Kleine Fürstenbergpalais wieder im rücksichtslos arroganten Geist des Machtapparates (Tiefgaragen, Verbindungstunnel unter den Gebäuden).

Eins der verwerflichsten Rekonstruktionsverfahren bei einem Baudenkmal ist der sog. Fassadismus, bei dem von einem ursprünglichen Gebäude nur die Straßenfront zurückbleibt und alle anderen Konstruktionen neu und zumeist ohne jegliche Beziehungen zum ursprünglichen Werk eingebaut werden. Als Beispiele aus dem Prager Stadtzentrum lassen sich anführen: das Neobarockhaus Darex am Wenzelsplatz, das Neorenaissancehaus in der Vladislav-Gasse, das in den Baukomplex der Tschechischen Versicherung einbezogen wurde, die in den Hotelkomplex Four Seasons auf dem Aleš-Kai einbezogenen historischen Häuser. Der „Fassadismustrend“ hat im Ablauf der vergangenen Jahre in erster Linie die Bebauung älterer Prager Viertel außerhalb der Denkmalreservation betroffen, also Karlín, Libeò, Smíchov, Vinohrady und Žižkov, deren Bausubstanz vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammt. Aber auch moderne Häuser aus der Zwischenkriegszeit sind nicht verschont geblieben.

In der Praxis der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts waren großspurige Vorhaben von finanzstarken Investoren und trendwütigen Baulöwen keine Seltenheit, die dann gegenüber der Denkmalsubstanz der umgebauten Objekte mit absoluter Rücksichtslosigkeit vorgegangen sind. So manches Bauvorhaben ist unvollendet geblieben, und das auf Kosten der beschädigten Objekte. Hier nur ein paar himmelschreiende Beispiele: Das Trautmannsdorf-Palais auf dem Marienplatz in der Altstadt – Abriss des klassizistischen Dachstuhls und der Geschossdecken über dem ersten Stock, Bautätigkeit eingestellt, bislang nicht vollendet;

Bauvorhaben einer Hotelanlage durch Zusammenlegung von fünf Gebäuden um das Haus U Sixtù am Altstädter Ring – nach der Anlaufphase Bautätigkeit eingestellt, die Gebäude mit freigelegten Tragwerken, demontierten Decken, auf der Hofseite bis auf den Baugrund ausgehobenem Gelände verrotten schon eine Reihe von Jahren unaufhaltsam;

Das Jugendstilhotel Central in der Hybernergasse wurde nach mehrjähriger Unterbrechung der Bauarbeiten fertig gestellt; das in den ungesicherten Bau eingedrungene Regenwasser machte die nachträgliche Beseitigung aller Holzteile einschließlich der intakten Inneneinrichtung notwendig;

Der klassizistische Bau U Hybernù am Platz der Republik, der in seiner Bausubstanz einen früh- barocken Kirchenbau einschließt, wurde beim Umbauversuch in ein Musical-Theater unnötig ramponiert. Dieser Umbau wurde nicht durchgezogen, bis auf den heutigen Tag liegt die künftige Nutzung der ganzen Anlage im Unklaren.

In den letzten Jahren häufen sich beim Umbau historischer Gebäude die Fälle, in denen Investoren ihr Vorhaben gezielt ohne Genehmigung durch- ziehen. Sie riskieren lieber eine Geldbuße als die Eventualität, dass der von ihnen geplante Umbau von den Denkmalschützern nicht genehmigt wird. Zu Illustrierung sollen hier drei abstoßende Fälle aus den Jahren 2003- 2005 genannt werden, leider aus dem ältesten Abschnitt Altstadtbebauung:

- im Haus Nr. 478 am Altstädter Ring wurden die klassizistischen Außengänge und der Abtritt- Risalit an der Hofseite abgerissen und der Hof mit seiner gotischen Backsteinfassade mittels einer Stahlträgerkonstruktion überdacht.

- Im Haus Nr. 234 zwischen der Jilská- und Jalovcová-Gasse wurden im Zuge eines genehmigten Umbaus in ein Hotel unerlaubte Eingriffe vorgenommen – der gesamte alte (gotische) Putz einschließlich der Überreste von Wandmalereien abgeklopft, alle inneren (barocken und klassizistischen) Türen sowie ein Teil der Innenwände entfernt. Erst dabei hat sich herausgestellt, dass das beschädigte Objekt zu den besterhaltenen gotischen Patrizierhäusern in der Altstadt gehört hat.

- Im Rahmen der Vorarbeiten zum Umbau der beiden Palaisbauten Nr. 202 und 203 in der Rittergasse in ein Hotel wurden ohne Genehmigung unter dem Vorwand von Ausräumarbeiten erstklassige innenarchitektonische Elemente aus Barock und Klassizismus beseitigt; ebenso viele Renaissance- Konstruktionen einschließlich Teilen von umbauten frühgotischen Kaufmannshäusern.

Diese Übersicht der verwüstenden Umbauten ist begreiflicherweise nicht erschöpfend, aber auch so wird klar, dass die Lage der Prager Denkmalreservation anders als die Magistratbeamten gerne behaupten, durchaus nicht erfreulich ist.

 

Fotografien:

1. Kleinseite. Das Haus U Ježíška auf dem Platz Tržištì im Winter 1992. Die Vorbereitung auf die geplante Rekonstruktion brachten die Beseitigung der meisten authentischen Ausstattungsteile des Hauses – Fenster, Türen, Fußböden, Decken usw.

2. Präparatorentechnik an Baudenkmälern. Die Ansicht der Fassadeninnenseite des Denkmals nach Ausbau aller sonstigen Konstruktionen hat einen beträchtlichen Didaktikwert. Kein Wunder, dass sie es sogar auf die Seiten von Lehrbüchern der Architektur-Fakultät der ÈVUT geschafft hat.

3. Altstadt. Der Trautmannsdorf-Palast Nr. 159 am Marienplatz heute. Das unnatürlich und hart wirkende Betongesims und das überhöhte Dach sind das Werk eines nicht durchgezogenen Umbaus.

4. Neustadt. Der Palast U Hybernù am Platz der Republik enthält in seiner Baumasse eine Frühbarock- Kirche, deren Schiff bis zu fast einem Viertel für den Umbau in ein Musical-Theater abgerissen wurde. Foto M. Patrný, 1999

5. Neustadt. Palast U Hybernù am Platz der Republik, Einzeichnung des demolierten Kirchenteils in eine historische Fotografie.

6. Neustadt. Palast U Hybernù am Platz der Republik, Umbau einer einstigen Kirche zum Musical-Theater. Auf dem brandneuen Dach erscheinen auch neue Gauben. Foto J. Veselý, 2005

7. Altstadt. Die Fassade des Hauses U Sixtù Nr. 552 in der Celetná-Gasse verrät nicht, dass sich hinter ihr ein ausgeschlachtetes, schwer ramponiertes Gebäude verbirgt. Foto R. Biegel, 2003

8. Altstadt. Das schwergeprüfte Haus U Sixtù wird noch viele Verluste hinnehmen müssen, ehe hier die ersten Hotelgäste einkehren. Foto J. Veselý, 2005

9. Altstadt. Der Hof des Hauses Nr. 478 am Altstädter Ring birgt außer einer prachtvollen gotischen Backsteinfassade und Resten von Sgrafitti-Schmuck auch Beweise für das außerordentliche Banausentum seines Besitzers. Im Vordergrund die Stahlträger der neuen Hofüberdachung.

10. Altstadt, Haus Nr. 234 zwischen Jilská- und Jalovcova- Gasse. Wer würde hinter dieser anmutigen Sgrafitti-Fassade eine der größten Tragödien der postrevolutionären Denkmalpflege in Prag erwarten? Foto J. Veselý, 2005

11. Altstadt, Haus Nr. 234 zwischen Jilská- und Jalovcova- Gasse. Das Hausinnere nach Abklopfen von historischem Putz und weiteren nicht zugelassenen Eingriffen. Foto M. Patrný, 2004

12. Altstadt, Hrobèický- und Wimmer-Palast in der Rittergasse Nr. 403 u. 402.

13. Altstadt. Ein halbes Jahr unermüdliches Schaffen von Bauarbeitern hat den Hrobèický- und Wimmer-Palast in der Rittergasse zu totalen Ruinen gemacht. Und der Bauherr brauchte nicht einmal eine Baugenehmigung dazu. Foto J. Veselý, 2005

14. Altstadt, der Hrobèický- und Wimmer-Palast in der Rittergasse. Das Piano nobile beider Paläste ist für den Beginn der Neu-Einbauten vorbereitet. Foto J. Veselý, 2005

 


DEMOLIERUNGEN

(Artikel hier, Verfasserin Kateøina Beèková)

Demolierungen als Radikalverfahren zur Platzbeschaffung für Neubauten bedrohen unter den Bedingungen eines Staates mit geltender Legislative nicht mehr die ältesten historischen Bauwerke, die durchweg einzeln durch Eintrag in die Liste der immobilen Kulturdenkmäler geschützt sind. Demolierungen gefährden derzeit vielmehr Bauten aus den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts, deren historischer Wert heute nicht allgemein einsichtig und anerkannt ist und bei denen die Nutzfunktion die Grenze ihrer Lebensdauer erreicht hat. Dennoch stellen solche Bauten einen erheblich Bestandteil im Ambiente der historischen Stadt dar.

Die gegenwärtig in der ÈR geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Bauordnung) ermöglichen im Fall, dass ein befugter Statiker in einem Gut- achten den Zustand eines Hauses für unzulänglich und untragbar erklärt, den sofortigen Abriss, ohne überhaupt die Stellungnahme der Denkmalpflegeorgane einholen zu müssen und ohne Rücksicht darauf, ob das Bauwerk unter Denkmalschutz steht oder nicht. Auf diesen Umstand und die Möglichkeiten seines Missbrauchs hat der Klub für Alt-Prag bereits mehrfach hingewiesen und die Bauämter aufgefordert, zur Begutachtung des Ist-Zustands von Gebäuden vor Ausgabe eines Abrissbescheids einen wirklich unabhängigen Statiker einzuschalten, der keinerlei Bindungen zum Initiator der Demolierung und dem Investor des geplanten Neubaus hat.

Fälle von spekulationsbedingten Demolierungen (von durchgeführten und beabsichtigten), in denen der vorgebliche baufällige Zustand eines Hauses nur zum Vorwand für die Räumung des Grundstücks für einen geplanten Neubau diente, wurden sowohl innerhalb der Prager Denkmalreservation als auch in erster Linie auf dem Gebiet der historischen Vorstadt Karlín nach dem Hochwasser von 2002, aber auch in weiteren Prager Randbezirken verzeichnet.

 

Fotografien:

1. Altstadt, Haus Nr. 973, Národní trída, abgerissen 1994.

2. Neustadt, Haus Nr. 1277 in der Vodièkova ulice, abgerissen 2001.

3. Neustadt, Haus Nr. 1325 in der Školská ulice, anstelle der geplanten Demolierung steht ein radikaler Umbau bevor.

4. Karlín, Haus Nr. 110 auf der Ecke Thámova und Sokolovská ulice, abgerissen 2003.

5. Karlín, Haus Nr. 110 auf der Ecke Thámova und Sokolovská ulice, Hof mit Außengängen auf Steinkonsolen.

6. Karlín, Haus Nr. 88 in der Sokolovská ulice, abrissbedroht

7. Karlín, Haus Nr. 88 in der Sokolovská ulice, hölzerner Ziehbrunnen im rückwärtigen Trakt, 2004 abgerissen.

8. Karlín, Haus Nr. 88 in der Sokolovksá ulice, Blick auf die Abrissarbeiten im Hintertrakt, in dem ein hölzernen Zeihbrunnen stand.

9. Karlín, Haus Nr. 9 in der Pernerova ulice bei Abriss im Sommer 2003.

 


DIE DACHLANDSCHAFT IN DER DENKMALRESERVATION

(Artikel hier, Verfasser Milos Solaø)

Dächer sind ein bedeutender Bestandteil des architektonischen Erbes. Ihre Bedeutung ist in Prag ganz besonders stark, nicht nur hinsichtlich der vielen und außerordentlich wertvollen Prager Baudenkmäler, sondern auch wegen des durchschnittenen Stadtgeländes und den vielen Aussichtspunkten, von denen aus die Dächer optisch ganz besonders zur Wirkung kommen. Dieses Erbe schwebt in großer Gefahr. Es wird von Aufstockungen und Kniestockeinbauten, neuen inhomogenen Baumaterialien und dem Niedergang der für die Erneuerung von charakteristischen Details erforderlichen Handwerke bedroht, aber die größte Gefahr geht von der Vorstellung aus, ein Dachboden sei nur ein „ungenutzter Raum“, wenn nicht gar ein „freies Baugrundstück“.

Der Dachbelag ist ein ganz markantes Element für das Aussehen der Dächer und die Denkmalpflege lässt ihm traditionell eine große Aufmerksamkeit zukommen. In der Vergangenheit wurden neben gebrannten Dachpfannen reichlich Holzschindeln verwendet, doch ab Mitte des 19. Jahrhunderts werden mit der Vorstellung der Pager Dächer unvermeidlich Bieberschwanz- und Hohlziegel in Verbindung gebracht. In vergangenen Zeitaltern wurde mehr gespart, insbesondere Ton-Dachpfannen wurde umgedeckt, wobei nur schadhafte Stücke ausgewechselt wurden. Gerade sie so entstehende Patina verleiht den Dächern ihren malerischen Reiz. Zusammen mit dem Dachbelag sind auch weitere Nutzelemente sowie die Gestaltung von Details von Wichtigkeit, beispielsweise von Kaminen und Gauben, die das Bild eines Daches abrunden.

Die Dächer waren ein lange unterschätztes Detail unseres architektonischen Erbes. In dieser Hinsicht ist es in den vergangenen zwei Jahrzehn- ten zu einer großen Verschiebung gekommen. Prag ist zudem sehr reich an gestalterisch und technisch wertvollen Dächern, in der Altstadt sind sogar mehrere mittelalterliche Dächer erhalten geblieben. Die überwiegende Mehrzahl stellen die Dächer aus Barock, Klassizismus und dem 19. Jahrhundert. Kniestockeinbauten und Aufstockungen brachten gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Katastrophe über die Prager Dachlandschaft, ihnen sind hunderte von historischen Dachstühlen zum Opfer gefallen. Sofern sie nicht komplett ausgewechselt wurden, hat man ihr Balkenwerk ausgeschlachtet, um den erforderlichen Raum für die Einbauten zu schaffen. Sehr ungünstig wirkt sich auch die Wärmedämmung auf die Dachstühle aus, die bei Holzteilen Schädlingsbefall herbeiführen oder Fäulnisprozesse starten kann.

Dachstockeinbauten stellen auch infolge des unumgänglichen Tageslichtbedarfs im neu entstandenen Wohnraum eine Bedrohung für das Stadtbild dar. Ihre Rolle spielt dabei nicht nur die mehr oder weniger gelungene Lösung bei einem betreffenden Bau, sondern vor allem die Vielzahl bzw. Dichte der so umgebauten Dächer in der Straßenfront. Zur Verteidigung von Dachstock- einbauten wird manchmal vorgebracht, sie seien ein Mittel zur Rettung von Wohnraum im Prager Stadtzentrum, gleichzeitig werden aber unausgesetzt Umnutzungen von ursprünglichen Wohn- etagen, ganzen Wohnhäusern oder Häuserblocks zugelassen, und das auch bei Gebäuden, die sich in Kommunal- oder Staatsbesitz befinden.

Im Zuge der Häuserfond-Privatisierung hat der Stadtbezirk Prag 1 ausgewählte Immobilien- und Projektbüros damit betraut, Dachstockeinbauten auf allen bislang unverbauten Dachböden staats- eigener Häuser zu betreiben. Allein auf der Kleinseite wurden davon einige -zig Häuser betroffen, die bis dahin noch geschützt werden konnten. Das Prager Institut für Denkmalpflege hat in den meisten Fällen seine Zustimmung verweigert, doch die Magistratabteilung hat wie üblich alles abgenickt, sogar in den unglaublichsten Fällen wie z. B. bei Haus Nr. 514-III auf der Kampa-Insel in unmittelbarer Nachbarschaft der Karlsbrücke. Bei diesem Haus ist es dem Klub für Alt-Prag vorerst gelungen, den Einbau zu verhindern, doch ist das nur ein ganz sporadischer Erfolg.

 

Fotografien:

1. Kleinseite, Haus Nr. 285 Zum Weißen Einhorn in der Lázenská ulice. Zustand von Umbau, bei dem ein Kniestock in die zweite Etage des Mansard-Dachs gezogen wurde.

2. Altstadt, Palast Platýz Nr. 416. Beispiel für eine typische Lüftungsgaube.

3. Kleinseite, das Foto illustriert die Folgen von totalem Gefühlverlust für Architektur und Schönheit der Konstruktion.

4. Kleinseite. Illustration für eine mit Hohlziegeln gedeckte Giebelkrone.

5. Kleinseite, Illustration für eine mit Blech gede- ckte Giebelkrone. Im Vergleich zu Hohlziegeln, Dachpfannen oder Verputz wirkt die schwarze Blechlinie zu hart. Der Reiz des Kleinseitner Daches ist hin.

6. Kleinseite, Vrtba-Palast Nr. 373. Beispiel für einen der traditionellen Prager Gaubentypen.

7. Hradschin, Illustration für eine rein zweckorientierte Verwendung von Dachgauben.

8. Kleinseite, Haus Nr. 387 in der Karmelitská ulice. Beispiel für typische Pult-Lüftungsgauben – Zustand vor Umbau.

9. Kleinseite, die neuen rein praktischen Gauben verschandeln das Aussehen dieses Kleinseitner Daches.

10. Kleinseite, die Aufnahme illustriert die wertvolle Patina des Dachbelags sowie die Bedeutung von kleinen Architekturdetails.

11. Kleinseite, Die Aufnahme illustriert die Wirkung von Blech-Windleisten an Giebeln.

12. Kleinseite, Haus Nr. 414 Na Kampì 9. Auch in solche Dächer wollte der Stadtbezirk Prag 1 rücksichtslos Kniestöcke einziehen.

13. Kleinseite, ehemaliges Kleinseitner Rathaus auf dem Kleinseitner Ring. In Zusammenhang mit der geplanten Rekonstruktion droht gleichfalls ein zweckbedingter Kiestock-Einbau.

14. Kleinseite, Haus zum weißen Kegel Nr. 44 in der Mišenská ulice nach Abriss des Barock-Dachstuhls im Herbst 2003.

15. Altstadt, Haus zum Schwarzen Engel Nr. 460 am Altstädter Ring. Beim kommerziellen Umbau wurde das Haus um zwei Etagen aufgestockt, die hinter der Imitation eines historischen Dachs verborgen liegen.

16. Kleinseite, Wratislavský-Palast Nr. 366, am Tržištì. Eine ganz brutale Ausführung eines Knie- stock-Einbaus von Ende des 20. Jahrhunderts auf der Kleinseite.

17. Kleinseite, Blick auf den Platz Tržištì von der Karmelitergasse in Richtung auf das Haus U Glaubicù, dessen Dach nach dem Umbau mit Kniestock- Gauben bespickt ist.

18. Kleinseite. Windischgrätz-Palast Nr. 119 mit den neuen protzigen Gauben.

19. Kleinseite, Illustration für eine typische Schornsteinverdachung, hier am Schornstein des Ledebur-Palasts.

 


EINGRIFFE IN DEN PRAGER UNTERGRUND

(Artikel hier, Verfasserin Kateøina Hanzlíková)

In der letzen Zeit sind wir in Prag Zeugen von Tief- garagenbauten, die im Zentrum massenhaft bei Wohnhäusern, die zu Luxusquartieren umgebaut wurden, bzw. bei Geschäfts- oder Verwaltungszentren entstehen. Zwar wird so ein bislang in Prag ungewohnter Komfort beim Parken für ein paar Dutzend Anwohner und Beschäftigte geschaffen, für die übrigen Bewohner und Besucher der Hauptstadt bringen solche Einrichtungen nur Komplikationen und eine Verschlechterung der Umweltbedingungen in vieler Hinsicht mit sich.

Tiefgaragen führen Autos ins Zentrum, die ansonsten nicht dorthin fahren würden, ihr Bei- trag zu einer Verkehrsberuhigung im Zentrum ist praktisch gleich Null. Der Bau solcher Garagen ist eine technisch schwierige und finanziell aufwendige Angelegenheit. Im Interesse einer baldigen Hereinspielung der Baukosten werden solche Stellplätze teuer vermietet, so dass die Parkerei auf der Oberfläche weitaus billiger kommt und das Problem der mit Autos zugeparkten Straßen überhaupt keine Besserung erfährt. Der Bau von Tiefgaragen im Zentrum bedeutet auch eine hektische archäologische Durchforschung des Baugrunds mit anschließender Abräumung der archäologischen Denkmäler, gegebenenfalls des ganzen histori- schen Souterrains. In der Vergangenheit sind noch nie so umfangreiche Tiefbauen entstanden, die die natürliche Grundwasser-Fließbewegung im geologisch komplizierten Prager Untergrund stören. Die Folgen dieser Veränderungen können langfristig zu Statikproblemen in der historischen Bebauung führen.

Der öffentlich am heißesten diskutierte Tiefgaragenbau wurde 2003 unmittelbar im Herzen der Kleinseite angelegt, und zwar in der Nerudagasse unter den Dienstwohnungen für Parlamentsabgeordnete. Die Garage wurde direkt auf der Linie der ursprünglichen Kleinseitner Befestigung aus dem Mittelalter angebracht.

Der geplante Tiefgaragenbau im ehemaligen Kino im Haus U hradeb auf der Kleinseite zeugt von einer geradezu pervertierten Werthierarchie unserer Zeit. Aus einem ursprünglichen, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unter Rücksichtnahme auf das historische Ambiente entstandenen Gesellschaftstreff, das außer einem Premierenkino eine Bibliothek, Weinstube, Milchbar und einen öffentlich zugängigen Innenhof mit einer Plastik aufnahm, wird jetzt eine private Wohnanlage, die für die Öffentlichkeit verschlossen bleibt. Die über einen Aufzug aus dem ehemaligen Atrium erreich- baren Garagen sollen direkt im Vorführsaal des ehemaligen Kinos untergebracht werden.

Der riesige Geschäfts- und Vergnügungskomplex Palladium, der am Platz der Republik durch Umbau einer historischen Kaserne mit einem Anbau im Kasernenhof entsteht, soll auch mehrgeschossige Tief- und Hochgaragen bekommen. Insgesamt soll dort Parkraum für rund 900 Autos entstehen. Für den Bau dieser Anlage wurde ein archäologisch fündiges Gelände von über 1,5 Hektar Fläche durchforscht und dann ganzflächig in einer Mächtigkeit von bis zu 5 m bis auf den Gesteinuntergrund abgetragen. Die einzigartigen Ergebnisse der Grabungen, bei denen die Überreste eines romanischen Palasts, mehrerer romanischer Häuser und nicht minder interessante Funde von Handwerkserzeugnissen sowie die Fundamente eines Kapuzinerklosters aus dem 17. Jahrhundert zutage gefördert wurden, mussten vor diesem Bauvorgaben physisch weichen.

Der Schutz des Untergrunds in der histori- schen Stadt Prag ist absolut unzureichend, die zwangsläufig vorgenommenen archäologischen Untersuchungen können den physischen Verlust von historischen Denkmälern in situ einfach nicht ersetzen.

 

Fotografien:

1. Kleinseite, Neruda-Gasse Nr. 249. Einfahrt zur Tiefgarage der Abgeordneten-Wohnanlage im Kinský-Palais. Foto K. Hanzlíková, 2005

2.–3. Neustadt, Ostrovní ulice Nr. 125. Einfahrt in die Tiefgarage durch ein Frühbarock-Portal in einem zu Hotelzwecken umgebauten Haus. Foto M. Mádl, 2003

4. Kleinseite, Mostecká ulice Nr. 273. Atrium des Hauses mit Eingang zum ehemaligen Kino U Hradeb, das zu Garagen-Stellplätzen umgebaut werden soll. Zufahrt mittels Aufzug von der Hauseinfahrt aus. Foto K. Beèková, 2005

5.–6. Neuststadt, Panská ulice. Zufahrtsrampe zur Tiefgarage unter dem Myslbek-Palast. Foto K. Hanzlíková, 2005

7. Neustadt. Archäologische Forschungsarbeiten auf dem Hof der ehemaligen Kaserne zwischen Platz der Republik sowie den Gassen Na Poøící und Truhláøská vor Baubeginn des Verwaltungs- und Geschäftskomplexes Palladium. Foto 2005

8. Neustadt. Einer der unikaten archäologischen Funde auf dem Grundstück der ehemaligen Kaserne am Platz der Republik – der Torso eines romanischen Palasts. Foto 2005

 


SCHUTZ DER ARCHITEKTUR AUS DEM 20. JAHRHUNDERT

(Artikel hier, Verfasser Rostislav Švácha)

Schon ein flüchtiger Blick auf die Baudenkmäler des 20. Jahrhunderts verrät, dass anstelle von üppigen Gliederungen, Dekor und Ornament die Architektur dieser Ära dazu übergegangen ist, sich auf den ausdrucksmäßigen Effekt der einfach- sten geometrischen Volumen und schlichtesten Details wie Fensterbalken und Metallrahmen zur Befestigung von Glastafeln in einer durchsichtigen Fassade zu verlassen. Allein die Anbringung eines Rahmens in der Laibung oder in der Außenflucht der Fensteröffnung kann hier eine ausschlaggebende Rolle spielen. Von solchen einfachen Elementen ist das Aussehen der Architektur des 20. Jahrhunderts fatal abhängig. Es genügt, bei einem Rahmen Profil oder Material zu ändern, das Glas in einer Glasfassade gegen in dunkleres oder stärker verspiegeltes auszuwechseln, und der Architektur- und somit Denkmalwert des Gebäudes ist dahin, da sein Ausdruck total verhunzt wurde.

In den ersten Jahren nach dem Regimewechsel von 1989 hatte es den Anschein, dass dem Schutz von Baudenkmälern aus dem 20. Jahrhundert große Aufmerksamkeit gewidmet wird, denn das Kulturministerium hat bereitwillig den Komplex der geschützten Gebäude erweitert. Binnen wenigen Jahren hat sich freilich herausgestellt, dass diese Hoffnung trog und die Bemühungen um eine Rettung wichtiger Gebäude aus dem 20. Jahrhundert heute mit unsinnigen Argumenten abgetan werden, in denen übertriebene Ansprüche an die „Einzigartigkeit“ und „Unnachahmlichkeit“ von Gebäuden Hand in Hand mit ebenso übertriebenen Befürchtungen vor dem Verlust ihrer „Authentizität“ einhergehen. Diese überhebliche Haltung hat zu rundweg verheerenden Umbauen und zum Untergang einer Reihe für den Schutz vorgeschlagener oder schutzwürdiger Bauten geführt. Gleichzeitig ist es nicht gelungen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Rechten und Pflichten des Besitzers herzustellen. Infolgedessen machen die Besitzer von wertvollen Bauwerken mit diesen, was ihnen gerade einfällt, während in der Haltung der Denkmalpflegeorgane Benevolenz mit Machtlosigkeit abwechseln.

Als besonders verderblich hat sich bei den funktionalistischen Gebäuden aus der Zwischenkriegszeit der Austausch von Holz- oder Stahlfensterrahmen gegen Plastikrahmen erwiesen, also aus einem Material, das zur Entstehungszeit der Bauten überhaupt noch nicht existierte.

Gleich in den ersten Jahren nach dem November 1989 ist eine „Brüsseler“ Innenausstattung nach der anderen verschwunden und die misslungene Privatisierung des einstigen Restaurantpavillons von der Weltausstellung EXPO 58 in Brüssel (von der die Bezeichnung für diese Stilrichtung in der tschechischen Architektur zu jener Zeit abgeleitet wurde) hat dieses Gebäude den Vandalen ausgeliefert. Das mühselige Re-made mit einem ungeeigneten Verwendungszweck hat das original Brüsseler Restaurant nicht ersetzen können.

Zerstörerische Eingriffe haben leider die allermeisten bedeutenden Bauten aus den späten 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts über sich ergehen lassen müssen, deren Glasverkleidungen auf dem Hängewandprinzip beruhten. Den Projektanten von Glasbau-Rekonstruktion ist es größtenteils leider überhaupt nicht in den Sinn gekommen, beim unerlässlichen Auswechseln der Befestigungen deren Originalstärke beizubehalten; dasselbe gilt für Tönung und Verspiegelung der Glasflächen. Wirklich bedeutende Schaustücke von der Hand tschechischer Architekten mit Gefühl für moderne Glasbauten wurden durch die Rekonstruktionswelle zu einem Aufmarsch banaler Glasklötze degradiert.

Wenn ein Liebhaber der tschechischen Architektur des 20. Jahrhunderts in einem der so gut verkäuflichen Bücher zu seinem Lieblingsthema blättert und sich anschließend in die Straßen auf macht, wo diese berühmten Bauten von berühmten tschechischen Architekten stehen sollen, erlebt er ein Gefühl, das in der Psychologie als „Enttäuschungsmoment“ bezeichnet wird.

 

Fotografien:

1.-2. Karel Hannauer, Pension Arosa in Prag 5 – Košiøe, U Kavalírky 500/1, 1931. Hervorragendes funktionalistisches Gebäude eines führenden Prager Architekten, nicht unter Denkmalschutz, erhielt in den 90. Jahren eine total stilwidrige pseudo-postmodernistische Mansarde.

3.-4. Stanislav Franc – Ludìk Hanf – Jan Nováèek, ehemaliges Gebäude des Verlags Albatros in Prag 1 – Neustadt, Národní tøída 342/29. 1965–1969. Die fein gestaltete Ummantelung des Gebäudes wurde in den 90er Jahren durch ein fades Standard-Bausystem ersetzt. Versuche, das Gebäude vor diesem Umbau zum Denkmal zu erklären, wurden von Apparat des Kulturministeriums abgeblockt.

5.–6. Mart Stam, Palièka-Villa in Prag 6 Dejvice, Na Babì 1779/9. 1932. Teil der Denkmalzone Baba. In den 90er Jahren haben die Villenbesitzer die Dachfläche stilwidrig mit einer Attika ergänzt. Der neue Besitzer hat in den Jahren 2002-203 diesem hervorragenden Bauwerk seine ursprüngliche Gestalt wiedergegeben. Projekt: Ladislav Lábus und Norbert Schmidt.

 


HISTORISCHE PRAGER VORSTÄDTE

(Artikel hier, Verfasserin Kristýna Kolajová)

So manche Teile der Hauptstadt Prag liefern traurige Beispiele für eine ziemlich rücksichtslose Haltung gegenüber Denkmälern im weitesten Sinne. Das zeigt sich ganz besonders, wenn man die Aufmerksamkeit einem meist übergangenen Gebiet zuwendet – den wertvollen Stadtvierteln außerhalb des Zentrums, das als Denkmalreservation besser geschützt ist. Leider gilt da sehr oft die Regel, dass Investoren und Develloper zwar Auflagen im ältesten Stadtkern von Prag (also in der Altstadt und auf der Kleinseite) hinzuneh- men bereit sind, dafür aber um so vehementer ihre Projekte in den anschließenden Lokalitäten durchzusetzen suchen. Das ist begreiflich – Grundstücke, Wohn- und Gewerberäume sind an den genannten Stellen preisgünstiger, hier gelten weniger strenge Einschränkungen als im schärfer überwachten Zentrum. Und wenn hier ähnliche Beschränkungen gelten, wissen die Investoren nur zu gut, dass und wie man sie hier leichter überwinden kann. Außerdem ist die Verkehrsanbindung an das Zentrum normalerweise recht gut. Dieser unerfreuliche Zustand wurde teilweise von historischen Umständen hervorgerufen. Unter dem vorigen Regime erfuhr die kontinuierliche Entwicklung der Denkmalpflege ihren Abbruch und die Einhaltung allgemeiner (bis dato respektierter) urbanistischer Prinzipien in der historischen Bebauung zählte ganz gewiss nicht zu den bevorzugten Trends. Somit erfuhr auch die öffentliche Meinung über den Wert von Denkmalkomplexen eine Deformierung. Noch bis vor kurzem wurde technischen Denkmälern keine sonderliche Wertschätzung entgegen gebracht, was sich leider an einigen Prager Lokalitäten spürbar ausgewirkt hat. Typische Beispiele sind Karlín und Smíchov, Fabrikviertel, denen nach der Verstaatlichung des Privateigentums keine einfühlsame Behandlung mehr zuteil wurde – Industriegelände wurden einfach nicht als Orte wahrgenommen, die so etwas wie Denkmalschutz verdient hätten. Fünfzig Jahre Raubbau haben das Ihre getan und so befand sich ein Großteil der Industriearchitektur um die Wende der 80er und 90er Jahre in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand, was sehr leicht missbraucht werden konnte. Ähnlich wurde auch mit dem ein wenig abstrakteren, jedoch mindestens genau so wichtigen Urbanistikwert – dem Stadtpanorama – verfahren, das in Prag ein paar sehr störende Eingriffe hinnehmen musste. Die schrillsten sind zweifellos der Fernsehsender in Žižkov und die Hochhäuser auf dem Pankrác.

In den 90er Jahren haben die Investoren sehr schnell Klarheit über die künftige Entwicklung der dem historischen Stadtkern benachbarten Lokalitäten gewonnen – wobei sie natürlich auch auf den schnell steigenden Grundstückspreis spekuliert haben. Sie haben jedenfalls schneller gehandelt als die Stadtväter und natürlich auch schneller, als die Denkmalpflege überhaupt zum Zuge kommen konnte. So setzte ein großer Run auf die Gründstücke ein, deren maximale kommerzielle Nutzung ohne jegliche Rücksichtnahme auf die Verpflichtungen und Prinzipien der Denkmalpflege geplant wurde. Dieser „Beutezug“ ist praktisch heute noch nicht zu Ende. Das Nichtvorhandensein eines Bebauungsplans, Inkonsequenz in den Rathäusern bei dessen Ausarbeitung und Einhaltung haben den Trend noch bestärkt. Es ist eine traurige Tatsache, dass in einer Situation, in der die Mitarbeiter der Denkmalpflegabteilung beim Magistrat oder den einzelnen Stadtbezirken als einzige befugte Instanz relativ leicht diesem rücksichtslosen Vorgehen wehren konnten, ihre Entscheidungen vielfach großzügiger ausfielen, als für die Denkmalpflege tragbar ist.

Die Folgen der mehrjährigen Verschleppung des Problems sind unerfreulich: Für eine würdige Korrektur der vielen rasanten Eingriffe in die historische Stadtstruktur ist es zu spät, einige wertvolle und typische Merkmale der Prager Bebauung sind für immer verschwunden. Und im Gegenteil sind reichlich negative Beispiele aus dem Boden geschossen, die von Seiten der Investoren als Inspirationen aufgefasst werden.

Der Kampf um die Rettung des historischen Werts der Stadt außerhalb der Denkmalreservation kommt nicht selten dem berüchtigtem Kampf gegen Windmühlen gleich und einen günstigeren Ausgang kann er nur in dem Fall nehmen, wenn sich auch die breite Öffentlichkeit bewusst wird, welche Bedeutung der Erhaltung solcher Lokalitäten zukommt. Die Altstadt wird allmählich zu einem verödeten Stadtteil, zu einem Ort ohne ständige Bewohner, und wenn es nicht bald zu einer radikalen Änderung des bislang von Magistrat und Bezirksämtern gesteuerten Kurses kommt, ist es ganz gut möglich, dass auch andere Viertel bald ähnlich verödet sind. Das Verwaltungs- und Geschäftskapital verdrängt nicht nur deren Denk- mäler, sondern mit diesen auch die Geschichte, den Geist und schließlich auch die ständigen Bewohner. Die Abwendung dieser unerfreulichen Vision sollte allen Pragern am Herzen liegen.

 

Fotografien:

1. Smíchov. Blick auf den Neubau Zlatý andìl in Smíchov vom Architekten Jean Nouvel. Im Bestreben, hier rings um die Kreuzung Andìl ein modernes Zentrum entstehen zu lassen, haben sich die Akteure völlig über das historische Gepräge dieser zur Denkmalzone gehörigen Lokalität hinweggesetzt. Foto M. Micka, 2002

2. Smíchov. Blick auf die Fassade des Ladenzentrums Nový Smíchov mit einem Fassadentorso der alten Ringhofferschen Fabrik. Foto M. Micka, 2002

3. Vinohrady. Die ehemalige hiesige Brauerei in der Korunní ulice wurde teils vom Brand im Jahr 2000 zerstört, anschließend abgerissen; ihre Fläche wurde für neuen Wohnungsbau freigegeben. Foto J. Støeda, 2004

4. Karlín im Panoramablick vom Berg Vítkov. Das Bild zeigt deutlich den regelmäßigen Urbanismus der klassizistischen Stadt. Foto J. Støeda, 2002

5. Karlín. Blick auf die den Uferabschnitt an der Moldau mit der neuen Bebauung. Foto J. Støeda, 2002

6. Zizkov. Panoramablick vom Vítkov. Der harmonische Ausblick über das Stadtviertel mit seiner natürlichen Dominanten der St. Prokop-Kirche wurde von Fernsehturm gestört. Foto J. Støeda, 2002

7. Nusle. Hochhäuser auf dem Pankrác – Das Gebäude Motokov, ein Missgriff der nicht gerade zimperlichen Stadtplanung aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, gilt heute als die Ursache für viele weitere potentielle Gefahren. Foto J. Støeda, 2004

8. Holešovice. Blick auf den Hafen von Holešovice, an dessen Stelle ein Luxus-Wohnviertel geplant ist. Foto J. Støeda, 2000